Die älteste Methode, die Uhrzeit zu messen, ist jene mittels Sonnenuhr. Mit ihr wird eine direkte Verbindung zwischen der Erde und dem Sonnensystem hergestellt.
Bedeutende Erfindung
Die Zeit zu messen, unabhängig von jeglicher Mechanik oder Elektronik – das hat schon etwas Faszinierendes. Wer sich mit der Sonne, ihrem Stand am Himmel und dem Schatten, den sie wirft, beschäftigt, lernt ganz nebenbei auch viel über Physik.
Eine Sonnenuhr ist ein Messgerät, das die Bewegung der Sonne am Himmel darstellt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts orientierten sich die Menschen an ihr, bis die mechanischen Uhren erfunden wurden, die wesentlich genauer gingen. Bei Sonnenuhren ist nämlich eine Abweichung von bis zu 15 Minuten möglich, da sich die Sonne nicht gleichmäßig bewegt und sie somit auch die Uhrzeit nicht gleichmäßig anzeigen kann. Eine 15-minütige Differenz ist heute nicht mehr vorstellbar, war früher aber kein Problem, da es ohnehin nur Sonnenuhren gab.
Die Sonnenuhr ist die erste Uhr, die jemals hergestellt wurde, und zählt zu den wichtigsten Erfindungen der Menschen. Bereits vor ihrer Erfindung haben sich die Menschen in Bezug auf ihren Tagesablauf am Stand der Sonne orientiert: Bei Sonnenaufgang standen sie auf, bei Sonnenuntergang gingen sie schlafen und wenn die Sonne am höchsten stand, gab es meist Mittagessen. Vermutlich entwickelten die Ägypter um 1300 vor Christus die erste Sonnenuhr, indem ein Stock in den Boden gesteckt wurde.
Auch wenn sie heute, über 4.000 Jahre später, im täglichen Leben nicht mehr verwendet wird, erfreut sich die Sonnenuhr doch als schmückendes Element im Garten oder an Hausmauern. Es gibt außerdem die Gnomonik, die Lehre von der Sonnenuhr, die sich mit Aspekten dieser Zeitmessungsmethode befasst und unter anderem neue Sonnenuhren gestaltet oder historische Sonnenuhren restauriert.
Funktionsweise und Arten
Die Sonnenuhr funktioniert nur mit der Sonne – weder bei Regen noch Wolken – und zeigt die Uhrzeit mit einem Schatten an, der auf ein Zifferblatt fällt. Der Schattenstab, heute ist die Bezeichnung Polstab gebräuchlicher, ist meistens parallel zur Erdachse ausgerichtet. Zieht die Sonne über den Horizont, zieht auch der Schatten der Sonnenuhr mit, an dem sich die Uhrzeit auf dem Zifferblatt ablesen lässt. Auf der nördlichen Halbkugel erfolgt der Schattengang von links nach rechts im Uhrzeigersinn. Auf der Südhalbkugel erfolgt der Schattenlauf in umgekehrter Richtung.
Mit einer Sonnenuhr lässt sich aber nicht nur die Uhrzeit ablesen, sondern auch ein beliebiges Datum. Sie ist außerdem nicht nur Zeitanzeiger, sondern kann auch, je nach Ausführung, Sonnwenden, Tagundnachtgleichen, sozusagen Jahreszeiten mit ihren gebogenen mehr oder weniger horizontal liegenden Linien anzeigen. Meist sind diese Linien für den Datumsanfang in das nächste astrologische Tierkreiszeichen vorgesehen. Widder 21. März, Waage 23. September entspricht der Tagundnachtgleiche und muss eine Gerade bilden. Es gibt unterschiedliche Arten von Sonnenuhren, wie etwa jene an vertikalen Gebäuden, aber auch horizontale, die auf dem Boden angebracht sind. Die Äquatorialsonnenuhr steht oft auf einem Sockel und hat ein Zifferblatt, das parallel zur Äquatorebene der Erde steht. Es gibt zylindrische Sonnenuhren. Die vermutlich älteste Sonnenuhr ist die Skaphe, deren Zifferblatt sich in einer halben Hohlkugel mit waagrechtem Stab oder Lochgnomon befindet.
Reich der Sonnenuhren
Laut der Arbeitsgruppe Sonnenuhren (gnomonica.at), als Teil des Österreichischen Astronomischen Vereins, zählt Österreich zu den an Sonnenuhren reichsten Ländern der Welt. Heinrich Stocker vom Verein informiert, dass es in den österreichischen Ländern schon immer überdurchschnittlich viele begabte Astronomen wie Johannes Kepler oder Georg von Peuerbach und auch herausragende Künstler gegeben habe. Die Sonnenuhr spreche Menschen verschiedenster Interessensgebiete an: „… den Sammler und Katalogisierer, den Historiker, den Mathematiker und Astronomen, aber auch den Techniker, den Handwerker und den Künstler. Nicht zuletzt spricht sie aber den philosophischen und spirituellen Menschen in uns an, den der immer wiederkehrende lautlose Lauf des Schattens zum Nachdenken über die Zeit und das Sein anregt.“ Gerade deshalb sind Uhren auch oft mit Sprüchen über die Zeit versehen, wie etwa „Die Zeit ist ein Geschenk Gottes“ in Aspang oder „Die Zeit eilt, teilt, heilt, nütze die Zeit – für die Ewigkeit“ in Feistritz.
Die Website des Vereins bietet auch eine Suchfunktion, mit der man sich auf die Suche nach den Sonnenuhren in der Region bzw. ganz Österreich begeben kann. So befindet sich auf der steirischen Seite des Wechsels zum Beispiel eine Sonnenuhr am Turm der Kirche in Dechantskirchen oder in Form einer Scheibe mit integriertem Stadtwappen am Friedberger Hauptplatz, platziert auf einem Monolithen vom Wechsel. Auf der niederösterreichischen Seite befindet sich in Feistritz eine Äquatorialsonnenuhr und eine der ältesten Sonnenuhren des Wechsellandes gibt es im Schloss Aspang.
Wilhelm Weninger ist Mitglied der genannten Arbeitsgruppe und unterstützt bei Interesse gerne unverbindlich mit seinem gnomonischen Wissen. Er ist unter wilhelm.weninger@gmx.at erreichbar. ❏
Stefanie Schadler
Weiterführende wissenschaftliche Informationen:
wissenstexte.de/physik/sonnenuhr.htm
gnomonica.at/index.php/gnomonik/funktion-der-sonnenuhr
Anleitung zum Bau einer Sonnenuhr:
Foto: Beim Karner am Friedhof in Unter-Aspang befinden sich diese beiden Sonnenuhren als Wandmalerei. Baujahr: 2011.